2024 – Rückblick 7. Klimaevent

Das Klima und die Auswirkungen auf den Lebensmittelanbau

 

Mit bewusstem Konsum ist allen geholfen

Die Referenten des 7. Klimaevents im Presswerk Arbon haben die Diskussion ums Klima neu aufgerollt und bewusst gemacht: Die Ernährung ist die grösste Klimasünderin. Es sei höchste Zeit, die Agrarpolitik weiterzuentwickeln und den Konsum zu drosseln.

 Es ist ein Teufelskreislauf: 70% des genutzten Wassers fliesst weltweit in die Landwirtschaft, um unsere Ernährung zu sichern, doch immer mehr Länder und Menschen leiden unter Wasserknappheit. Es braucht nährhaften Boden, doch die Welt verliert jedes Jahr eine Million Hektaren an landwirtschaftlicher Nutzfläche. Und es braucht Stickstoff, der aber nur noch für eine Generation reichen wird, weil der weltweite Fussabdruck zu hoch ist. Manfred Bötsch steigt am 7. Klimaevent des Unternehmens Die Klimamacher AG in Arbon ohne Umschweife ins Thema ein und macht deutlich, dass die Auswirkungen auf den Lebensmittelanbau auch Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Die Erfahrungen des Thurgauers sind weitreichend: Er absolvierte in Marcelin die landwirtschaftliche Fachschule, studierte Agrarwirtschaft an der ETH und leitete unter anderem die Direktion Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement beim Migros Genossenschaftsbund. Heute ist er mit seinem Consulting-Unternehmen selbständig.

 Ausgewogen statt vegetarisch oder vegan

«In der Schweiz werden knapp 30% der Umweltbelastungen durch die Ernährung verursacht, da braucht es dringend eine Lösung», fährt Bötsch fort. Er sieht zwei Lösungsansätze. Zum einen eine resiliente regenerative Landwirtschaft, also die Fähigkeit des landwirtschaftlichen Systems, sich an Veränderungen anzupassen und diese erfolgreich zu bewältigen, ohne dabei an Produktivität zu verlieren. Dazu gehören die Förderung neuer Technologien, neue Züchtungsmethoden, die Digitalisierung (z. B. Hackroboter) und Selbstermächtigung statt Vorschriften. Punkt zwei betrifft die Konsumentinnen und Konsumenten. Der schweizweite Konsum pro Kopf ist viel zu hoch, noch dazu werden 2.8 Tonnen Lebensmittel jährlich weggeworfen. «Das Verfallsdatum wird falsch verstanden: Es bedeutet nichts anderes als eine Garantiefrist für die Detailhändler, dabei lassen sich viele Produkte problemlos darüber hinaus verzehren», so Bötsch. Auch zum Fleischkonsum vertritt er eine klare Meinung: «Fleisch essen ja unbedingt, aber in Massen.» Oft gehe vergessen: Nur Raufutter verzehrende Tiere könnten die Grünflächen nutzen, und das seien 70% der landwirtschaftlichen Nutzung weltweit. Dazu komme, nur Schweine und Hühner würden Nebenprodukte höherwertig veredeln. So ist für ihn klar, statt Veganer, Flexitarier oder Fleischtiger zu sein, solle man lieber zu den FOODprints gehören: «Ausgewogenheit ist das Optimum!» Dabei verweist er auf die altbewährte Schweizer Lebensmittelpyramide.

 Thurgauer statt spanischer Erdbeeren

Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft, pflichtet Bötsch in der anschliessenden Podiumsdiskussion bei und betont, dass in jedem Kanton ein Kontingent an Ackerbaufläche vorgeschrieben sei, um der Ernährungssicherung Rechnung zu tragen. Der Thurgauer Regierungsrat Walter Schönholzer richtet seinen Appell an die Bevölkerung: «Wir sind ein vorbildlicher Kanton, was die Selbstversorgung angeht, da sollten wir keine spanischen Erdbeeren, Mangos oder Avocados kaufen.» Dennis Reichardt, Inhaber von Die Klimamacher AG und Organisator des Klimaevents, fragt sich, wo die 50% an Auslandimporten herkommen, wenn sich die Probleme in gewissen Ländern zuspitzen würden. Hofer versichert, dass der Bund über einen Notfallplan verfüge, der zwar nicht 50% abdecken, aber durch gute Auslandsbeziehungen mit verschiedenen Handelspartnern aufgefangen werden könne. Ausserdem gebe es ein Pflichtlager, mit dem die Schweiz eine gewisse Zeit überbrücken könne. Im Publikum bewegt ein weiteres Thema: Die tonnenweisen Nahrungsmittel, die von Detailhändlern weggeworfen werden oder die krummen Rüebli, die nicht verkauft werden dürften. Hofer versichert, hier sei man dran, Lösungen zu finden. Dänemark gehe mit gutem Beispiel voran und habe gesetzlich verankert, die Lebensmittel allesamt an wohltätige Institutionen zu verschenken und nichts wegzuwerfen. Bötsch ergänzt: Man hätte hierzulande zumindest die Vorgaben gelockert, dass bestimmten Institutionen wie «Tischlein deck dich» Nahrungsmittel abgegeben würden.

 Bewusster Konsum statt Massenkonsum

Regierungsrat Schönholzer bleibt dabei, es liege in der Eigenverantwortung der Menschen: «Wir blenden vieles aus, weil wir es uns leisten können, hier müssen wir wirklich umdenken.» Da steht der Apéro am Schluss gleich auf dem Prüfstand. Conny Fritz, Leiterin der Geschäftsstelle der Arbeitgebervereinigung Region Arbon, versichert, Food Waste gebe es in ihrer Familie keinen und Fleisch werde sehr bewusst gegessen. «Ich gebe aber zu, bei den Erdbeeren ist manchmal die Lust grösser als die Vernunft.» Stefan Müller nimmt vom Abend mit, «dass die Ausgewogenheit der Ernährung einen positiven Einfluss auf die Umwelt hat». Er achte beim Fleisch und anderen Produkten auf die Qualität. Müller ist Geschäftsführer der sartorial rechtsanwälte ag, die unter anderem in Arbon und Weinfelden zu Hause ist. Was bei vielen der rund 250 Teilnehmenden haften blieb, war der Appell von Bötsch: «Die Landwirtschaft löst das Problem nicht allein, die Agrarpolitik muss weiterentwickelt werden und was den Konsum angeht: Bitte von allem etwas weniger.»

 

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